Hast du schon mal etwas über einen Tech neck gelesen oder gehört?
Mir ist dieser Begriff erstmals beim Vorbereiten zu diesem Blogartikel begegnet.
Tatsächlich gibt es inzwischen einen eigenen Ausdruck für Nackenbeschwerden, welche aufgrund von gehäuftem Einsatz von modernen technischen Geräten wie Smartphone, Tablet oder Laptop entstehen können. Vergleichbar in etwa mit den schon bekannten Handy-Daumen, dem Golfer-Arm oder Tennis-Ellbogen.
Allen Beschwerden ist gemeinsam eine Überlastungssituation von strukturellen Körperarealen. Durch langanhaltende, meist monotone Bewegungsabläufe oder starre Haltungen kommt es zu Überforderungen und Irritationen in unserem Körper.
Nackenbelastungen durch die Nutzung von Handys und PC
Der amerikanische Wirbelsäulenchirurg Kenneth Hansraj hat den Einfluss der Körperhaltung und Muskelspannung durch die häufige Nutzung von Smartphones und Tablet-Computern untersucht und sie im Jahre 2014 in dem renommierten Journal „Surgical Technology International“ veröffentlicht.
In seiner Studie beobachtete er, dass die tägliche Arbeitszeit am Smartphone oder anderen vergleichbaren mobilen Geräten im Bevölkerungsdurchschnitt ca. 2- 4 h pro Tag beträgt. Im Jahr kommt man somit auf ca. 700 -1400 Stunden. Bei Personen, die arbeitsbedingt mit diesen Kommunikationsmitteln angewiesen sind, sind es sogar bis zu 5000 Stunden/Jahr.
Hansraj untersuchte auch welche Kräfte auf den Nacken wirken, wenn Menschen sich über ihre kleinen Bildschirme beugen. In neutraler also aufrechter Position, berichtet er, laste der Kopf mit einem durchschnittlichen Gewicht von etwa sechs Kilogramm auf der Halswirbelsäule.
Neigt sich der Kopf nach vorne, nimmt das Gewicht, das die Nackenmuskeln aushalten müssen, immer mehr zu. Wenn man sich nur um 15 Grad leicht nach vorne neigt, belastet man seine Wirbelsäule mit doppelt soviel Gewicht wie in der neutralen Position, nämlich mit mehr als 13 Kilogramm. Bei 30 Grad Neigungswinkel sind es etwa 20 Kilogramm, bei 45 Grad bis zu 27 Kilogramm!
Symptome eines Tech neck
Langanhaltendes Sitzen mit nach vorn geneigtem Kopf führt zunächst meist zu Muskelverspannungen an der Rückseite im Schulter-Nackenbereich und zu Bewegungseinschränkungen. Ihnen folgen oft ein zunehmendes Steifigkeitsgefühl und Schmerzen in dieser Region. Auch Schwindel, Kopfschmerzen, Ohrgeräusche, Kiefergelenkbeschwerden und ausstrahlende Schmerzen oder Missempfindungen in den Arm können mögliche Folgen sein.
Home Office und seine Folgen
Im vergangenen Jahr, welches für sehr viele Menschen vom Home Office geprägt war, waren und sind die Bedingungen für einen gesunden Nacken nicht gerade ideal.
Bringt die Bildschirmarbeit an sich schon negative Auswirkungen auf unseren Bewegungsapparat mit durch das lange Sitzen am Platz, so werden diese durch die meist nicht so optimalen Arbeitsbedingungen zuhause noch verstärkt.
Die wenigsten können wohl in ihrem Privatbereich ein eigenes vollausgestattetes Büro mit ergonomischen Möbeln vorweisen. So sitzt man anstatt auf einem komfortablen Drehstuhl mit Armlehnen mal auf der Holzbank am Esstisch, mal auf dem Sofa oder sogar auch schon mal im Bett.
Die Augen sind nicht horizontal auf den Bildschirm gerichtet, sondern man schaut den ganzen Tag etwa im 45 Grad Winkel nach unten auf den Bildschirm des Laptops oder auch das Handy. Dies führt zu einer permanenten Überdehnung und Überanstrengung der rückwärtigen Nackenmuskulatur. Diese muss andauernd ein Mehrfaches des eigenen Kopfgewichtes gegen die Schwerkraft halten.
Unsere Nackenmuskeln sind für solche Ausdauerleistungen nicht ausgelegt. An der Körpervorderseite kommt es eher zu Verkürzungen in der Brustmuskulatur. Durch das Agieren der Hände vor dem Körper neigen die Schultern immer weiter nach vorne und in der Brustwirbelsäule kommt es zu einer sogenannten Kyphose (Einrundung). Dies spüren wir meist in Form von schmerzhaften Verspannungen an der Rückseite, nämlich zwischen den Schulterblättern.
Zusätzlich kommen durch das ständige Starren der Augen auf den Bildschirm auch die Augenmuskeln in eine Dauerkontraktion. Da diese in einer engen Verknüpfung mit den Nackenmuskeln korrespondieren, verstärken verkrampfte Augenmuskeln noch zusätzlich die angespannte Situation im Nacken. Der Nacken fühlt sich immer steifer an, fängt an zu schmerzen und entwickelt sich zum Tech neck.
Was können wir gegen einen Tech neck tun?
Körperwahrnehmung schulen
Indem wir im Alltag immer wieder mal inne halten und unsere Körperhaltung beobachten und spüren, können wir sie uns bewusst machen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, um auch etwas daran zu verändern.
kleine Übung zur Aufrichtung:
Setze dich aufrecht auf einen Stuhl hin. Die Füße stehen etwa hüftbreit fest auf dem Boden. Spüre den Kontakt deiner Fußsohlen zur Erde. Nimm deine Sitzbeinknochen wahr, auf denen du sitzt. Von hier aus richtet sich deine Wirbelsäule in einer natürlichen Schwingung nach oben hin aus. Stell dir oben an deinem Scheitel einen Faden vor, der zur Zimmerdecke strebt. Ganz sanft zieht er nach oben in Richtung Decke.
Nimm wahr, wie sich dadurch dein Nacken etwas streckt und sich deine Wirbelsäule aufrichtet. Dein Blick bleibt nach vorne horizontal ausgerichtet. Dein Brustbein hebt sich etwas an. Die Arme hängen locker seitlich am Körper herab und der Schultergürtel ruht auf dem Brustkorb. Dein Kiefer ist entspannt und dein Atem fließt ganz ruhig. Genieße einen Moment diese entspannte aufrechte Haltung.
Du kannst diese Übung im Sitzen zwischendurch immer mal wieder machen oder auch im Stand.
Arbeitshöhe anpassen
Versuche alle technischen Geräte nach Möglichkeit so einzurichten, dass sie dir einen horizontalen Blick deiner Augen gewährleisten können.
Bewegungspausen
Richte dir circa alle 30 Minuten eine kleine Bewegungspause ein. Steh einen Moment auf, recke und strecke dich nach allen Richtungen und gehe ein paar Schritte durch den Raum.
Augen entlasten
Neben der Höhenanpassung der Geräte ist es auch sinnvoll deinen Augen hin und wieder eine Entlastung zu bieten. Hierfür kann es schon reichen, wenn du für 1-2 Minuten deinen Blick vom Bildschirm nimmst und durch ein Fenster in die Ferne schaust – optimal ist es, wenn du deine Augen auf etwas Grünes richtest, z.B. einem Baum im Garten.
Bewegungsritual
Schaffe dir einen Bewegungsausgleich, den du wie ein Ritual täglich durchführen kannst. Du solltest alle Muskeln, die durch deine anhaltende Sitzposition vor dem Bildschirm besonders in Anspruch genommen werden, entlasten und sie ganz bewusst und achtsam bewegen. Viel wichtiger als eine Kräftigung ist hier der kontrollierte Abbau von überflüssiger Muskelanspannung.
Dies kannst du hervorragend erreichen mit den somatischen Übungen, welche ich seit über 20 Jahren selbst praktiziere und in meinen Gruppen weitergebe.
Wenn du einen Einblick hierfür bekommen möchtest, dann lade ich dich ein, dir auf meinem youtube-Kanal ein paar Übungen anschauen bzw. gleich mitzumachen.
Ganz speziell für den Nacken habe ich einen Online-Video-Kurs erstellt.
In fünf Lektionen, die aufeinander aufbauen, lernst du dich von überflüssigen Verspannungen in deiner Schulter-Nacken-Region zu befreien. Die einzelnen Übungen sind bewusst kurz gehalten, so dass du sie wunderbar in deinen Alltag einbauen kannst.
Hier kannst du erfahren, wie beweglich dein Nacken sein kann – auch wenn du schon monatelang im Home Office arbeitest!
Wenn du dir unverbindlich einen Platz in meinem Kurs sichern möchtest, dann trage dich in die Warteliste ein. Ich freue mich, wenn ich dich ein Stück auf deinem Weg zu mehr Nackenfreiheit begleiten darf.
Literatur: KENNETH K. HANSRAJ, MD, Assessment of Stresses in the Cervical Spine Caused by Posture and Position of the Head, Neuro and Spine Surgery, SURGICAL TECHNOLOGY INTERNATIONAL XXV (2014)